Im letzten Winter waren sie verboten, jetzt herrscht Grossandrang auf Skilager. Ein Lehrer erklärt, welche Regeln gelten
Die Schulen zieht es wieder in die Berge. Bis Ende Oktober wurden bereits 287 Klassencamps über die „Schneesportinitiative Schweiz“ GoSnow.ch gebucht, das sind 68 Prozent mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019 – und so viele wie noch nie. 13’811 Lehrkräfte, Schülerinnen, Schüler und Leitungspersonen stehen auf den Teilnehmerlisten. Und es gehen weiter Buchungen ein.
«Das Nachholbedürfnis ist riesig », sagt Ole Rauch, Geschäftsführer bei GoSnow, einer Non-Profit-Organisation von Bund, Kantonen, Tourismus- und Sportvertretern, die Schulen bei der Organisation von Schneesportlagern unterstützt. «Viele Lehrpersonen sagen: Wir müssen endlich wieder raus aus dem Schulzimmer.»
Hoffnung auf mehr touristischen Nachwuchs
Das gilt auch für Andrea Manduchi, 58. Der Klassenlehrer am Oberstufenzentrum Ittigen, einem Vorort von Bern, fährt mit seinen 27 Schülerinnen und Schüler im Alter von 13 und 14 Jahren im
kommenden Winter ins Skilager nach Grächen VS. «Gerade nach den Corona-Einschränkungen sind Klassenlager wichtig.» sagt Manduchi. «Sie sind auch sonst ein super Erlebnis, das oft die Erinnerung an die Schulzeit prägt.» Früher waren die Skilager in seiner Gemeinde freiwillig. «Da hatten wir jeweils etwa 20 Prozent Abmeldungen», so Manduchi. «Meist von Eltern, die keinen Bezug zum Schneesport haben.» Inzwischen sind die Lager obligatorisch, weil man allen Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bieten wolle, mehrere Tage auf Skis oder einem Snowboard zu stehen. «Das ist schliesslich ein Schweizer Nationalsport und auch volkswirtschaftlich von Bedeutung.». Tatsächlich kurbeln die Schulen mit ihren Schneesportlagern die Auslastung in den Skigebieten an. Und sorgen, so die Hoffnung, auch für mehr touristischen Nachwuchs. Da steht es nicht zum Besten, wie Erhebungen zeigen: Viele Schweizerinnen und Schweizer sind drauf
und dran, das Skifahren zu verlernen. Vor allem die 30- bis 50-Jährigen werden zunehmend zu Skimuffeln, die ihre Winterferien lieber am Strand verbringen.
«Über die Lager in den Schulen können wir den Schneesport wieder stärker fördern», sagt Rauch von GoSnow. Die Organisation hilft den Schulen nicht nur bei der logistischen Planung der Klassenlager, sondern auch bei der Erarbeitung der Corona-Schutzkonzepte. «Wir machen alles, damit die Schülerinnen und Schüler wieder ein Lager erleben können», sagt Rauch.
Die Corona-Regeln waren diese Woche auch an einer Lehrerkonferenz in der Schule in Ittigen ein Thema. «Wir empfehlen den Eltern, ihr Kind, falls es nicht geimpft ist, maximal 48 Stunden vor dem Lager-Antritt in einem Testcenter testen zu lassen», sagt Manduchi. Für Jugendliche, die älter als 16 Jahre sind, gilt an seiner Schule eine Zertifikatspflicht, wie das auch die Lager-Vorgaben des Bundesamts für Sport vorsehen. Weiter gilt, dass die Mahlzeiten, wenn dies das Wetter zulässt, wenn immer möglich draussen konsumiert werden.
Besuche im Mädchen oder Bubenschlag?
Früher fuhr der Berner Lehrer mit seiner Schülerschar auch mal in eine Jugendherberge ins Camp. Jetzt hat er ein eigenes Lagerhaus gemietet, damit die Klasse unter sich bleibt. Hier müssen – anders als im öffentlichen Verkehr, Seilbahngondeln inklusive – keine Masken getragen werden. Wer Krankheitssymptome zeigt, wird in einem eigenen Zimmer isoliert, trägt einen Mundschutz, verlässt das Lager oder wird von den Eltern innerhalb von maximal zwölf Stunden abgeholt. Besuche in anderen Schlafräumen? Nicht erlaubt – auch nicht tagsüber.
Erschwinglich sind die Skilager für die Schulen in der Regel nur mit Unterstützungsbeiträgen der Gemeinden und dank der Angebote von GoSnow zu vergleichsweise tiefen Lagerpreisen. Im letzten Winter herrschte Corona-Zwangspause, die Durchführung von Klassenlagern wurde aufgrund der steigenden Fallzahlen schweizweit von den Kantonen verboten. «Alle Lager wurden nach und nach annulliert, am Schluss fand kein einziges statt», sagt Rauch.
Jetzt ist die Vorfreude gross. «Ich hoffe, dass es die Pandemie-Lage zulassen wird, dass das Lager nun auch wirklich stattfinden kann und nicht wieder alles abgesagt werden muss»., sagt Lehrer
Manduchi.
Die Bundesexperten hatten diese Woche keine guten Nachrichten. Wie sie vor den Medien erklärten, habe das «epidemische Geschehen wieder Fahrt aufgenommen » – man rechne alle zwei Wochen mit einer Verdoppelung der Fallzahlen.
Artikel aus der SonntagsZeitung vom 31.10.2011, Autorin: Nadja Pastega